Living Room
Im September 2023 eskalierte der langjährige Konflikt um Bergkarabach mit einem gross angelegten militärischen Angriff Aserbaidschans, der zu dessen Kontrolle über das gesamte Gebiet führte. Nach diesem Vorfall führte die Angst vor ethnischer Säuberung zu einer Massenflucht der Karabach-ArmenierInnen nach Armenien.
The Living Room ist ein verbindender Raum für vertriebene Gemeinschaften aus Bergkarabach, armenische Künstler*innen sowie internationale Kulturschaffende, die in verschiedenen sozialen und künstlerischen Formen zusammenarbeiten. Ziel ist es, Leute, die ihre Heimat verloren haben, zu ermutigen, sich nicht dauerhaft als Opfer zu identifizieren, und Kunstschaffende zu unterstützen, sich mit kreativen und basisorientierten, konfliktbewussten Ansätzen für eine friedliche Zukunft zu engagieren.
Einer der Schwerpunkte der Aktivitäten im Living Room ist die Förderung sozial engagierter Kunstpraktiken als kraftvolles Mittel zur friedlichen Konflikttransformation. Er bietet einen sicheren Raum für Austausch, Zusammenarbeit und zum Lernen. Der physische Raum, der sich in einem Randbezirk von Jerewan befindet, ist offen, zugänglich und entwickelt sich kontinuierlich als lebendiger Raum für Kunst und Gemeinschaften aus Armenien und der ganzen Welt weiter.
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Art and Social Transformation Lab II
Zwölf Künstler*innen aus verschiedenen Disziplinen – Tanz, Musik, Kunsttherapie, Klangkunst, Bildende Kunst u. a. – haben an der zweiten Ausgabe des Art and Social Transformation Lab teilgenommen. Vom 6. bis 10. Mai haben sich die Künstler*innen gemeinsam mit der Projektleitung und den Gastdozent*innen intensiv mit ihrer eigenen Praxis auseinandergesetzt und die Wechselwirkungen zwischen künstlerischem Schaffen und sozialem Wandel in Zeiten der Krise untersucht.
Das Labor war als Lern- und Experimentierraum konzipiert, in dem die Künstler*innen ihre Projekte reflektieren und im Austausch mit anderen Anwesenden weiterentwickeln können. Die Living Room-Community wächst weiter. Auch in diesem Jahr entstanden drei Projekte in kollektiver Zusammenarbeit.
(dis)unity
(dis)unity ist ein Projekt, das aus zwei Ausstellungen besteht, begleitet von Klanginstallationen.
Die erste Ausstellung – Line – ist eine räumliche und emotionale Auseinandersetzung mit den Grenzen zwischen Menschen und ihrer Umwelt, durch Fotografie.
Die zweite Ausstellung – Look, This Is My Grandpa – zeigt alte Fotografien aus Familienarchiven, deren Besitzer*innen nicht mehr wissen, wer auf den Bildern zu sehen ist.
In beiden Ausstellungen stehen Geschichte, Kontext, die Eigenschaften der Objekte sowie Klänge im Zentrum der Sound-Installationen.
Künstler*innen: Asmik Aleksanyan, Margarita Egoryan und Vardan Harutyunyan
Saved to Abandonment
Das Projekt hat zum Ziel, die Geschichten von Menschen, die den militärischen Angriff im Jahr 2023 überlebt und in Armenien Zuflucht gefunden haben, zu sammeln und sichtbar zu machen. Ihr Leben wurde zu einem Wechsel von einem Albtraum in den nächsten – denn ihre Familien erlitten entweder Verluste oder wurden zu Ausgestossenen in neuen Gesellschaften.
Im Rahmen des Projekts sollen Interviews und Gespräche mit Menschen geführt werden, die nach der Vertreibung in schwierige Lebenslagen gerieten. Diese werden in Text und Fotografie dokumentiert und in einer kleinen Ausstellung im Living Room gezeigt.
Die Abschlusspräsentation wird die Held*innen der Geschichten persönlich vor Ort zusammenbringen – begleitet von einem gemeinsamen Gespräch.
Künstler*innen: Lusine Vanyan, Elina Gasparyan und Armine Vanyan
Find Your Inner Power (Գտիր քո ներքին ուժը)
Eine zweitägige Reihe von Kunstworkshops unter dem Titel Find Your Inner Power für Kinder im Alter von 6 bis 12 Jahren aus der Region Lori, deren mentales Wohlbefinden direkt oder indirekt vom Konflikt betroffen ist. Ziel der Workshops ist es, die mentale Stärke zu fördern und den Kindern zu helfen, Selbstvertrauen und seelischen Halt zu finden.
Künstler*innen: Bela Pogosian, Maria Sinanyan und Gurgen Baghdasaryan
Ort und Jahr
Jerewan 2025
Teilnehmende
Kira Lin, Gurgen Baghdasaryan, Vardan Harutyunyan, Sipan Grigoryan, Ezequiel Guiragossian, Asmik Aleksanyan, Margarita Yegoryan, Elina Gasparyan, Maria Sinanyan, Bela Pogosian, Anushik Hovhannisyan, Lusine Vanyan
Projektleitung
Shoghakat Mlke-Galstyan (artasfoundation)
Rana Yazaji (artasfoundation)
Dolmetscherin
Stella Loretsyan
Interventionen
Shoushan Keshishian (Sunrise Stepanakert Festival)
Anika Krbetschek (Memoryal Tsavt tanem – Ցավդտանեմ)
Finanzielle Unterstützung
Project ECHO
Private Spender*innen
Die Schreibweise in den Projekten und deren Titel liegt in der Verantwortung der Künstler*innen und muss nicht mit der von artasfoundation verwendeten Schreibweise übereinstimmen. Die Nutzung von Bezeichnungen und Namen, besonders im Hinblick auf die Konfliktregionen, werden durch die Stiftung nicht als Anerkennung oder Nichtanerkennung ausgelegt. Sie haben in diesem Zusammenhang keinerlei politische Konnotationen.
Labor für Kompositionen aus Klang und Bewegung
Das Labor für Kompositionen aus Klang und Bewegung ist ein integraler Bestandteil von Memoryal Project – Tsaved Tanem, einem künstlerischen Forschungsprojekt, das sich mit generationenübergreifendem Gedächtnis, Trauma und Widerstandsfähigkeit in Armeniens (im)materiellem kulturellem Erbe auseinandersetzt. Es wurde von der Berliner Künstlerin, Kuratorin und Autorin Anika Krbetschek und G.URBAN, einer kulturellen und sozialen Plattform zur Förderung der Gemeinschaft zwischen Armenien und Deutschland konzipiert und geleitet.
Vom 21. bis 30. April übersetzten die teilnehmenden Künstler*innen und Kurator*innen ihre persönliche Beziehung zu (generationenübergreifendem) Gedächtnis in Klang und Bewegung. Ein zentrales Element war dabei der rote Faden, der als Metapher für die Spuren diente, die Erinnerung in den einzelnen Individuen hinterlässt.
Ausgangspunkt und Arbeitsmaterial war das Memoryal-Materialarchiv aus Anika Krbetscheks vorausgehenden Feldforschung von wurden sowohl Denkanstösse wie auch Material, Ton und Gestik miteinander verwoben und verknüpft zu einer teppichartigen Struktur der Erinnerung.
Am Open Process Day waren Gäste eingeladen, das Lab für einen Tag zu begleiten. Die Kurator*innen bereiteten Karten mit Fragen vor, visuellem Material aus der Studie, Zitaten aus Gesprächen sowie Reflexionen aus dem kollaborativen Labor.
Das 2024 gestartete Projekt verfolgt das Ziel, durch eine interdisziplinäre, partizipatorische und kollaborative Herangehensweise Wissen, Erfahrungen und Emotionen in Armenien sowie innerhalb der armenischen Diaspora in Deutschland zu dokumentieren und erforschen.
Der Living Room lud Anika Krbetschek ein, gemeinsam mit sieben Klangkünstler*innen und Personen mit Bewegungshintergrund, wie Tänzer*innen, Schauspieler*innen oder Performer*innen, persönliche Erinnerungspraxen zu erkunden. Der künstlerische Fokus orientierte sich am Thema des Webens von Immateriellem, im Kontrast zum Weben von Material.
Ort und Jahr
Jerewan 2025
Ein Projekt von
Anika Krbetschek
Künstler*innen
Karina Kazaryan
Vardan Harutyunyan
Margarita Sargsyan
Georgy (Egor) Rogalev
Kuratorinnen
Monika Mirzoyan
Lolita Moistrapishvili
Anika Krbetschek
Projektleitung
Shoghakat Mlke-Galstyan (artasfoundation)
Finanzielle Unterstützung
Project ECHO
Private Spender*innen
Memoryal-Project Partner
GTC Gyumri Technology Center
di.Studio
Art Basis
DDD Kunst House
Memoryal-Project Unterstützung
Goethe-Institute Yerevan
Armenian Fonds
Memoryal-Project Unterstützung künstlerischer Mobilität
Culture Moves Europe, ein von der Europäischen Union gefördertes Projekt
For This Dance I Will Take the Lead
Im Januar 2025 brachte For This Dance I Will Take the Lead das Publikum im Living Room in Jerewan zu einer intimen und transformativen Tanzaufführung zusammen. Sechs Teilnehmende – die alle die Erfahrung teilten, ständig von anderen „geführt“ zu werden – übernahmen die Führung und leiteten das Publikum durch individuelle Choreografien, die sie selbst entwickelt hatten.
Diese Aufführung war der Höhepunkt eines Open-Call-Projekts unter der Leitung der Künstlerin Tellervo Kalleinen und des Choreografen Tsolak Mlke-Galstyan. Über Wochen hinweg erarbeiteten die Teilnehmenden – viele ohne Tanzerfahrung – ihren persönlichen und ausdrucksstarken Tanz, in dem sie sich durch die Bewegung selbst ermächtigten. Das Projekt bot einen sicheren und kollaborativen Raum für Selbstentfaltung und ermöglichte es jedem und jeder Teilnehmer*in, die eigene Geschichte auf eindrucksvolle und immersive Weise zu teilen.
Die von der Finnischen Kulturstiftung unterstützte Veranstaltung war ein eindrucksvolles Zeugnis wie durch Tanz Verbundenheit, Selbstbestimmung und persönliche Transformation gefördert werden kann.
Ort und Jahr
Jerewan, 2025
Tanz-Anleitende
Asmik Aleksanyan
Inna Kolupaeva
Davit Minasyan
Siarhei Payarkau
Maria Sinanyan
Zaruhi Yesayan
Projektleitung
Shoghakat Mlke-Galstyan (artasfoundation)
Yana Avanesyan (artasfoundation)
Konzept
Tellervo Kalleinen
Moderation
Tsolak Mlke-Galstyan, Tellervo Kalleinen
Choreografische Unterstützung
Tsolak Mlke-Galstyan
Musik und Tontechnik
Lusinè Mlke-Galstyan
Produktion
Shoghakat Mlke-Galstyan
Dolmetscherin
Stella Loretsyan
Finanzieller Beitrag
Project ECHO
Finnish Cultural Foundation
Private Spenden
Art and Social Transformation Lab I
Für seine erste internationale Aktivität im Living Room lud die artasfoundation Künstler*innen, Kunstvermittelnde, Forschende und Kunstschaffende ein, an einem siebentägigen Laboratorium über Kunst und soziale Transformation teilzunehmen. Das Laboratorium wurde als Lern- und Experimentierraum für 10 bis 12 Teilnehmende gestaltet, um künstlerische Praktiken zu entwickeln, die mit Gemeinschaften interagieren und sie ermutigen, die Kontrolle über ihr Leben zu übernehmen und sich durch kreative Methoden mit vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen auseinanderzusetzen.
Wir wünschen uns, dass eine unterstützende Praxisgemeinschaft entsteht, um Künstler*innen in ihrem Umgang mit der Unsicherheit der heutigen Zeit zu stärken und die Rolle zeitgenössischer Kunst in der friedlichen sozialen Transformation neu zu überdenken.
Die teilnehmenden Künstler*innen und Kunstschaffenden nutzten das Laboratorium, um gemeinsam ihre Projektideen zu entwickeln. In der Folge werden drei Projekte im Living Room realisiert:
Where is your Safe Space #7, ein Performance-Kunstprojekt unter der Leitung von Tereza Davtyan, Kuratorin, Petros Ghazanchyan, Tänzer, und Inna Ghazaryan, Tänzerin. Das Projekt ist eine dynamische Performance-Kunstreihe, die das facettenreiche Konzept von sicheren Räumen in unserer zunehmend komplexen Welt erforscht.
Transparent – Narratives from Artsakh, ein Projekt unter der Leitung von Stella Loretsyan, Schriftstellerin, und Lusine Mlke-Galstyan, Musikerin. Das Projekt hilft zehn Bergkarabach-Armenier*innen dabei, ihre persönlichen Geschichten zu teilen und diese in Kunstwerke zu transformieren, die durch zwei Veranstaltungen und starke Einbindung von lokalen und internationalen Medien einem breiteren Publikum präsentiert werden.
Home is where your Heart is, ein Kunsttherapie-Projekt, das von Ani Galstyan, bildende Künstlerin, Eliza Baghdiyan, Musikerin und bildende Künstlerin, Timofey Bichkov, Kunsthistoriker und bildender Künstler, und Anna Tenenbaum, bildende Künstlerin, geleitet wird. Das Projekt zielt darauf ab, zwangsweise vertriebenen Menschen zu helfen, mit erlebten Traumata umzugehen.
Neben den von artasfoundation organisierten Aktivitäten beherbergt der Living Room auch andere Projekte, die einfach einen Ort zum Arbeiten benötigen. Der physische Raum ist für Kunstschaffende, Organisationen und Gemeinschaften zugänglich, die sich mit sozialer Transformation beschäftigen und einen Raum suchen zum Üben, Proben, Zusammenkommen, Austauschen, Aufführen oder einfach, um sich zu treffen.
Ort und Jahr
Jerewan, 2024
Teilnehmende
Tereza Davtyan, Ani Galstyan, Petros Ghazanchyan, Inna Ghazaryan, Eliza Baghdiyan, Stella Loretsyan, Yana Avanesyan, Anna Tenenbaum, Timofey Bichkov, Lusine Mlke-Galstyan
Projektleitung
Shoghakat Mlke-Galstyan (artasfoundation)
Rana Yazaji (artasfoundation)
Dolmetscherin
Maria Andryan
Finanzieller Beitrag
Project ECHO
Private Spenden
Die Schreibweise in den Projekten und deren Titel liegt in der Verantwortung der Künstler*innen und muss nicht mit der von artasfoundation verwendeten Schreibweise übereinstimmen. Die Nutzung von Bezeichnungen und Namen, besonders im Hinblick auf die Konfliktregionen, werden durch die Stiftung nicht als Anerkennung oder Nichtanerkennung ausgelegt. Sie haben in diesem Zusammenhang keinerlei politische Konnotationen.